Der Wettbewerb
Seit 1963 findet in Leipzig der weltweit einzigartige, internationale Buchgestaltungswettbewerb »Schönste Bücher aus aller Welt« / »Best Book Design from all over the World« statt. Auch dieses Jahr traf sich eine internationale Jury aus hochkarätigen Gestaltern in der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig und bewertete weit über 600 Einsendungen aus 33 Ländern. Alle teilnehmenden Bücher waren zuvor bereits in nationalen Wettbewerben ihrer Herkunftsländer ausgezeichnet worden. Neben der höchsten Auszeichnung, der »Goldenen Letter«, wurden weitere 13 Bücher aus den Niederlanden, Venezuela, China, der Schweiz, Deutschland, Japan, Israel und Russland prämiert.
Bronzemedaille Schweiz
Peter Bichsel und Silvan Lerch
Autonomie auf A4
Design: Atlas Studio (Martin Angereggen, Claudio Gasser, Jonas Wandeler)
Printer: Sprüngli Druck, Villmergen
Publisher: Limmat Verlag, Zürich
ISBN: 978-3-85791-833-9
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200 Flugis („Flugblätter der Zürcher Jugendbewegung Anfang der 1980er-Jahre“) in Originalgröße. Ausgetrickst: Der Karton als Vor- und Nachsatz – ohne echten Einband – wird einfach zu einem Scheinumschlag – ohne Rücken – umfunktioniert. Darauf haben sich die roten Titelzeilen (mit extra Prägestempel) tief eingedrückt. Der offene Rücken des fadengehefteten Buchblocks ist programmatisch. Nur zu erahnen (aber das genügt ja auch schon): Unter jedes faksimilierte Blatt ist eine weiße, DINA4-große Fläche aufs weiße Naturpapier gedruckt, um a) die Dokumententreue zu wahren und b) nur einen Minimalkontrast einzubringen. Aufsätze von Zeitzeugen, Historikern und anderen Reflektoren sind in gleichmäßigen Abständen zwischen die 288 Seiten eingefügt. Sie (die Aufsätze) sind in einer halbfetten helvetica-artigen Schrifttype auf ein seltsames Papier gedruckt: Dieses ist leicht grauwolkig (vermutlich ab Werk, denn ein Druckraster ist beim besten Willen nicht zu erkennen), hat einen etwas metallischeren Klang, es mildert die Sterilität der Textseiten (im Vergleich zum flirrenden Schwarz-Weiß-Spiel der Flugis); Besonders aber zeichnet es sich bei geschlossenem Buch deutlich auf den Schnittflächen ab. Zitate in monumentalem Schriftgrad geben immer wieder Gelegenheit zum Luftholen: „Nach Gebrauch verbrannten wir die Matrizen, um Beweisspuren zu verwischen“. „Ich wehre mich dagegen, einem Stil zugeordnet zu werden“. „Geld aus Moskau hatten wir keines“. Was diese Buchgestaltung besonders raffiniert übersetzt: die Komplexität eines simplen Flugblattes.
http://www.stiftung-buchkunst.de
© Rolf Wöhrle